Wissen

Wechseljahre in der Arbeitswelt - Herausforderungen und Möglichkeiten

Veröffentlicht von Saskia Scheibel im Juli 2024 in Allgemeines Wissen & Symptome, Mentale Gesundheit

Artikelbild Wechseljahre in der Arbeitswelt - Herausforderungen und Möglichkeiten

Die Wechseljahre können auch die Arbeitsleistung von Frauen beeinflussen. Statistiken zeigen, dass eine Vielzahl der Frauen aufgrund der Beschwerden über eine Reduzierung oder sonstige berufliche Veränderung nachdenken. Von Seiten der Arbeitgeber gibt es bisher wenig Unterstützung.

Die Wechseljahre werden nicht als Krankheit definiert, sondern als ein natürlicher biologischer Prozess, den alle Frauen durchlaufen. Dennoch bleibt das Thema gerade in vielen Arbeitsumgebungen tabuisiert, Konzepte und Unterstützung gibt es kaum. Die Auswirkungen der Wechseljahre auf das Arbeitsleben sind vielfältig und können sowohl für die Frauen als auch für die arbeitgebenden Firmen erheblich sein. Mehr als ein Drittel der Frauen in einer großen Befragung gab an, schon mehrfach der Arbeit ferngeblieben zu sein aufgrund von Wechseljahresbeschwerden [1]. Weltweit entsteht ein Schaden von 150 Milliarden USD durch den Produktivitätsverlust, den Beschwerden und Krankheiten, die durch die Wechseljahre entstehen, auslösen [2].

Bildbeschreibung


Die Arbeitskraft der Frauen ist enorm wichtig. In Großbritannien sind knapp 6 von 30 Millionen offiziell arbeitenden Menschen Frauen im Alter der Wechseljahre, das macht 20 Prozent der gesamten Arbeitskraft [3]. Es handelt sich also nicht um eine Randgruppe innerhalb der Arbeitswelt. Umso beunruhigender ist, dass die Hälfte dieser Frauen darüber nachdenkt, aufgrund von Beschwerden ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder ihren Job ganz zu verlassen. Jede vierte Frau in dem Alter hat ihre Stunden bereits reduziert. Das wiederum vergrößert die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen, die Rentenlücke und hält Frauen davon ab, die Karriereleiter weiter nach oben zu klettern. 

Die alternde (Arbeits-)Gesellschaft und der bereits bestehende Fachkräftemangel, besonders in Berufen, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, wird sich dadurch in den nächsten Jahren noch weiter verschärfen. Gesamtgesellschaftlich fehlt dann nicht nur die Arbeitskraft der Frauen, sondern auch ihre Kaufkraft. 

Die Hälfte der Frauen denkt darüber nach, aufgrund von Beschwerden ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder ihren Job ganz aufzugeben. Jede vierte Frau hat bereits ihre Stunden reduziert.

Beobachtungen zeigen, dass Frauen in ihren mittleren Jahren häufig in eine Art “Karriere Krise” geraten, in der sie das, was sie tun hinterfragen und nach mehr Sinn in ihrer Arbeit und weniger Stress streben [4]. Positiv ausgedrückt, gibt es in dieser Lebensphase häufig um den Wunsch nach Veränderung, endlich das zu machen, wovon man immer geträumt hat. Ob dies dem relativen Testosteronüberschuss in der Perimenopause geschuldet ist oder aus dem vielen Grübeln in schlaflosen Nächten resultiert, lässt sich schwer belegen [5]. Es scheint aber viele Beispiele von Frauen zu geben, die in der Lebensphase nochmal etwas Neues wagen und dann auch umsetzen. Diese Möglichkeit bietet sich jedoch nicht allen Frauen.

Die Herausforderungen der Menopause am Arbeitsplatz

Physische und psychische Symptome

Die Menopause bringt eine Vielzahl von Symptomen mit sich, die das Wohlbefinden am Arbeitsplatz und die Arbeitsleistung beeinträchtigen können. 

Welche Symptome beeinträchtigen die Arbeitsleistung besonders stark?

  • Hitzewallungen
  • Schlafstörungen und daraus resultierende Müdigkeit
  • Stimmungsschwankungen und Gereiztheit
  • kognitive Beeinträchtigungen, wie z.B. “Brain Fog” (Gedächtnislücken, Konzentrationsprobleme)
  • geringeres Selbstwertgefühl
  • verminderte Stressresistenz bis hin zu Burn-out
  • Muskel- & Gelenkschmerzen

So vielfältig die Berufe der Frauen in den Wechseljahren sind, so unterschiedlich ist auch der Einfluss der Wechseljahre auf den Beruf. Bestimmte Symptome können in bestimmten Berufen besonders beschwerlich oder folgenreich sein. Starke Hitzewallungen sind beispielsweise schwierig zu lindern, wenn man berufsbedingt eine dicke Uniform tragen muss (z.B. bei Polizistinnen) oder in einer warmen Umgebung arbeitet (z.B. in der Küche). Schweißausbrüche oder extreme Blutungen können sehr unangenehm für Lehrerinnen oder Verkaufsmitarbeiterinnen sein, die ständig exponiert vor einer Gruppe Menschen stehen müssen. Muskel- und Gelenkbeschwerden können besonders Frauen in körperlich anstrengenden Berufen zu schaffen machen. Müdigkeit, “Brain Fog” und daraus resultierende Konzentrationsprobleme sind sicherlich in allen Berufen schwierig, verheerend können sie jedoch u.a. für Pilotinnen, Fluglotsinnen oder Busfahrerinnen sein. Auch die verminderte Stressresistenz, Stimmungsschwankungen und Gereiztheit können sich in jedem Beruf negativ auswirken, besonders aber in ohnehin stressigen (Führungs-)Positionen, Pflege- oder Erziehungsberufen. 

Bildbeschreibung

Wenn Frauen tatsächlich oder gefühlt weniger Leistung erbringen als vorher, kann das Probleme mit den Vorgesetzten hervorbringen oder das Selbstbewusstsein stark vermindern. In einer Umfrage berichteten 78% der Frauen über berufliche Herausforderungen aufgrund ihrer Wechseljahre, 57% hatten das Gefühl weniger produktiv zu sein [6]. Da die Wechseljahre sich über bis zu 15 Jahre ziehen können (in unterschiedlicher Intensität), ist ein beachtlicher Teil des Berufslebens potenziell davon beeinträchtigt.  

Fehlende Unterstützung und Verständnis

Viele Frauen fühlen sich am Arbeitsplatz nicht ausreichend unterstützt. Nur 10% der Frauen gaben in einer Befragung an, dass ihr Arbeitgeber ihnen irgendeine Form der Unterstützung beim Thema Wechseljahre gibt, damit bildet Deutschland das Schlusslicht im Vergleich der größten europäischen Länder und Südafrika. Zwar gibt es Unterstützung von Kolleg:innen (22%), aber kaum von den Vorgesetzten (7%) oder der Personalabteilung (3%). Dies führt oft zu einem Gefühl der Isolation und kann die psychische Belastung erhöhen. Es wird eine deutliche Diskrepanz zwischen der Unterstützung in der Schwangerschaft gegenüber der Unterstützung in den Wechseljahren wahrgenommen [7].

Eine erschreckend große Lücke besteht zwischen den beruflichen Maßnahmen, die menopausale Frauen sich von ihren Arbeitgebern wünschen würden und der Umsetzung von Maßnahmen. 

Laut einer Erhebung besteht der Wunsch für Maßnahmen bei ca. 67% der Frauen während die tatsächliche Umsetzung bei ca. 4% liegt [Alzueta 2024].

Hier scheint es jedoch große kulturelle Unterschiede zu geben: Während über 80% der südafrikanischen Frauen sich Unterstützung vom Arbeitgeber wünschen, geben nur knapp 40% der deutschen Frauen diesen Wunsch an [8]. Möglicherweise spielt auch hier die Angst vor Stigmatisierung eine Rolle, weswegen einige Frauen das Thema vielleicht lieber gar nicht erst auf der Agenda haben wollen. Der größte Wunsch besteht für offizielle Regelungen zum Thema Krankheitstage und flexible Arbeitszeiten, gefolgt von Zugang zu den richtigen Ärzten, Anpassungen des Arbeitsumfeldes und das Schaffen von Bewusstsein im Kollegen- und Vorgesetztenumfeld.

Bildbeschreibung

Diskriminierung und Stigmatisierung

Wechseljahrsbedingte Diskriminierung kann ein ernstes Problem sein. In Großbritannien hat das Parlament kürzlich empfohlen, die Wechseljahre als geschützte Eigenschaft im Gleichstellungsgesetz zu verankern, um Frauen besser vor Diskriminierung zu schützen. Der Vorschlag wurde jedoch abgelehnt, was zeigt, dass noch viel Arbeit nötig ist, um das Bewusstsein und die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verbessern.

Frauen erleben bereits in den Jahren zuvor oftmals Diskriminierung, wenn sie Kinder bekommen oder manchmal sogar, wenn Arbeitgeber:innen nur annehmen, dass eine Frau in absehbarer Zeit eine Familie gründen könnte. Die Angst vor Diskriminierung kann Frauen die konstruktive Lösungssuche erschweren und den Druck und Stress erhöhen.

Nur 25% der Frauen geben ihren Vorgesetzten gegenüber den Grund für ihr Fehlen an.

Laut einer großen Befragung sagten nur 25% der Frauen, die Kranktage aufgrund von Wechseljahresbeschwerden nehmen mussten, ihren Vorgesetzten den Grund für ihr Fehlen. Das zeigt, dass das Thema mit Angst und Scham behaftet ist, insbesondere, wenn die Frauen wiederholt aus diesem Grund nicht arbeiten können. Fast die Hälfte der Frauen gab zu, aus Scham nicht nach Unterstützung am Arbeitsplatz zu fragen. Dass den Wechseljahren ein Stigma anlastet und man lieber nicht darüber spricht, bestätigen die Hälfte der Befragten, in Deutschland jedoch etwas weniger als in anderen europäischen Ländern [9].

Auswirkungen auf die Karriere

Die Wechseljahre treten oft in einer Phase auf, in der Frauen gerade beruflich aufsteigen und Führungspositionen anstreben. Tatsächlich geht die Schere zwischen Männern und Frauen nochmal deutlich auseinander zwischen 40-55 Jahren hinsichtlich des beruflichen Aufstiegs. Frauen haben ihren Zenit durchschnittlich mit 40 erreicht, Männer erst mit 54. Eine Studie ergab, dass die Hälfte der befragten Frauen befürchten, dass sie durch ihre Wechseljahresbeschwerden als weniger leistungsfähig angesehen werden [10]. Die Angst davor, durch die Wechseljahresbeschwerden weniger gut zu “performen”, scheint sogar größer zu sein als die Angst davor, wie die Symptome private Beziehungen beeinflussen könnten [11].

Bildbeschreibung

Lösungsansätze und Unterstützungsmaßnahmen

Aufklärung und Sensibilisierung

Ein erster Schritt zur Unterstützung von Frauen in den Wechseljahren ist die Aufklärung und Sensibilisierung am Arbeitsplatz. Arbeitgeber:innen können Schulungen für Vorgesetzte und Mitarbeiter:innen anbieten, um das Bewusstsein für die Wechseljahre und ihre Auswirkungen zu schärfen. Dies kann dazu beitragen, das Stigma zu reduzieren und ein unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen.

Flexible Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen

Flexible Arbeitszeiten und die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, könnten Frauen helfen, besser mit den Symptomen der Wechseljahre umzugehen. Eine Studie unter Krankenschwestern in verschiedenen Ländern zeigte, dass digitale Gesundheitsinterventionen und flexible Arbeitsbedingungen die Lebensqualität und Arbeitsleistung verbessern können. Dies ist natürlich nicht in allen Berufen gleichermaßen möglich.

Bildbeschreibung

Gesundheitsfördernde Maßnahmen

Die Entwicklung und Implementierung von Gesundheitsprogrammen und Check-ups, die speziell auf die Bedürfnisse von Frauen in den Wechseljahren zugeschnitten sind, können ebenfalls hilfreich sein. Man könnte in Incentive und Benefit Programme auch Lösungen integrieren, die Frauen in den Wechseljahren gezielt helfen, sei es eine kostenpflichtige App, Diagnostik oder Sportprogramme. 

Rechtliche Rahmenbedingungen und Unternehmensrichtlinien

Über das Schaffen gesetzlicher Rahmenbedingungen könnte man Frauen vor Wechseljahrsbedingter Diskriminierung schützen. Die Implementierung von spezifischen Schutzmaßnahmen im Gleichstellungsgesetz, wie vom Women and Equalities Committee in Großbritannien vorgeschlagen, wäre ein großer Schritt in diese Richtung.

Unternehmen könnten unabhängig von der Politik Richtlinien etablieren, die es Vorgesetzten leichter machen, mit dem Thema umzugehen und klare Grenzen zu ziehen. Wie bei anderen Gleichstellungsthemen auch, kann es ein Balanceakt sein, auch Männer mit abzuholen und dafür zu sorgen, dass sie sich nicht benachteiligt fühlen. Es braucht gute Vorbilder unter den Unternehmen, Fälle, die zeigen, welchen positiven Einfluss Wechseljahres-Maßnahmen auf ein Unternehmen haben können. 

Bildbeschreibung

Selbst tätig werden

Als Arbeitnehmerin kann man die Maßnahmen des Arbeitgebers nur bedingt beeinflussen, auch wenn man sich aktiv für das Thema einsetzen kann. Wünsche für Anpassungen kann man immer platzieren, wenn auch nicht zwangsläufig erfolgreich. Daher empfiehlt es sich, auf sich selbst und sein Stresslevel zu achten und dort Veränderungen herbeizuführen, wo man sie in der Hand hat. Frauen neigen dazu, sich um alles und jeden zu kümmern und daher stets unter Strom zu stehen - man spricht von dem “Rushing Women’s Syndrome”. Das kann viele Jahre funktionieren, ab den Wechseljahren kann es sich aber lohnen, bewusst mehr Pausen zu machen, sich mehr um sich selbst zu kümmern, anders zu priorisieren und auch mal Dinge abzusagen. Denn ein dauerhaft hohes Cortisol Niveau (Stresshormon) führt zu einer beschleunigten Abnahme der weiblichen Sexualhormone. Oft ist es die Kombination aus beruflichen und privaten Verpflichtungen, die das Cortisol Level nach oben treiben. 

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Bewusstsein, das Wissen und die Lösungssuche für die Wechseljahre auf vielen Ebenen vorangetrieben werden muss. Die Arbeitswelt ist dabei eine ganz entscheidende Ebene, denn am Arbeitsplatz verbringen Frauen potenziell den Großteil ihres Tages. Hier scheint es aktuell noch viele Lücken zu geben.

Zusammenfassung:

Der Artikel zeigt auf, wie die Wechseljahre die Arbeit der Frauen beeinflussen können. Statistiken zeigen, dass eine Vielzahl der Frauen aufgrund der Beschwerden über eine Reduzierung oder sonstige berufliche Veränderung nachdenken. Unterschiedliche Symptome können unterschiedliche Berufsgruppen individuell hart treffen. Von Seiten der Arbeitgeber gibt es bisher wenig Unterstützung, der Artikel geht aber darauf ein, welche Maßnahmen ggf. sinnvoll sein könnten und was Frauen selbst tun können. 

Mehr Artikel
Weitere Artikel

Umfassendes Wissen, neueste Studien, spannende Zahlen und Fakten

Mehr Artikel

Quellen:

  • Alzueta, Elisabeth (2024): Navigating menopause at work: a preliminary study about challenges and support systems, URL
  • Bildau, Judith (2024): Raus aus dem Hormonchaos: Soforthilfe bei PMS, Regelschmerzen, psychische Tiefs, Schlafstörungen und Gewichtszunahme.
    München: Gräfe und Unzer Verlag.
  • Burden, Lizzy (2021): Women are leaving the workforce for a little-talked-about reason. Bloomberg, URL
  • Hastle, Cathy (2022): MENOPAIISE WORKING. Cathay Hastle.
  • De Liz, Sheila (2024): Women on Fire: Alles über die fabelhaften Wechseljahre. 24. Auflage, Hamburg: Rowohlt Taschenbuchverlag.
  • Opinium Research (2021): Menopause Research. Vodafone: URL
  • Pelz, Mindy (2023): The Menopause Research: Get rid of your symptoms and feel like your younger self again. London: Hayhouse UK. 

  1. Opinium Research (2021): Menopause Research. Vodafone, URL
  2. Burden, Lizzy (2021): Women are leaving the workforce for a little-talked-about reason. Bloomberg, URL
  3. Hastle, Cathy (2022): MENOPAIISE WORKING. Cathay Hastle.
  4. Bildau, Judith (2024): Raus aus dem Hormonchaos: Soforthilfe bei PMS, Regelschmerzen, psychische Tiefs, Schlafstörungen und Gewichtszunahme.
    München: Gräfe und Unzer Verlag. 
  5. De Liz, Sheila (2024): Women on Fire: Alles über die fabelhaften Wechseljahre. 24. Auflage, Hamburg: Rowohlt Taschenbuchverlag.
  6. Alzueta, Elisabeth (2024): Navigating menopause at work: a preliminary study about challenges and support systems, URL 
  7. Opinium Research (2021): Menopause Research. Vodafone, URL
  8. Alzueta, Elisabeth (2024): Navigating menopause at work: a preliminary study about challenges and support systems, URL
  9. Opinium Research (2021): Menopause Research. Vodafone, URL
  10. Alzueta, Elisabeth (2024): Navigating menopause at work: a preliminary study about challenges and support systems, URL
  11. Opinium Research (2021): Menopause Research. Vodafone, URL