Unversehrt von Eva Biringer

Eva Biringers Unversehrt. Frauen und Schmerz ist ein kraftvolles, augenöffnendes Buch, das die komplexen Dimensionen weiblichen Schmerzes in unserer Gesellschaft beleuchtet. Mit einer Mischung aus persönlicher Reflexion und fundierter Recherche wirft die Autorin einen unerschrockenen Blick auf den "Gender Pain Gap" – die systematische Abwertung und Fetischisierung weiblichen Schmerzes.

Eva Biringer zeigt eindringlich auf, wie weiblicher Schmerz in der Medizin und Gesellschaft anders bewertet wird als männlicher. Sie kritisiert, dass der männliche Körper weiterhin als medizinische Norm gilt, was zu gravierenden Fehldiagnosen und Behandlungsfehlern führt – ein Umstand, der durch die Tatsache verstärkt wird, dass viele Medikamente immer noch überwiegend an Männern getestet werden, selbst bei frauenspezifischen Erkrankungen. Besonders eindrucksvoll schildert sie ihre eigene Familiengeschichte und verknüpft sie mit größeren, gesellschaftlichen Zusammenhängen: Ihre Großmutter, deren Schmerzen ein Leben lang ignoriert wurden, steht exemplarisch für das sogenannte "Medical Gaslighting", bei dem Frauen häufig als hysterisch oder überempfindlich abgetan werden.

Doch Biringer bleibt nicht bei der Anklage stehen, sondern fordert Veränderung und echte Selbstaktzeptanz: Sie ermutigt Frauen, ihren Schmerz ernstzunehmen, Wissen über den eigenen Körper zu erlangen und sich selbstbewusster gegenüber der Medizin positionieren. Schmerz wird hier nicht nur als Bürde dargestellt, sondern auch als potenzielle Quelle von Stärke und Verbindung zwischen Frauen. 

Mit einem engagierten und direkten Schreibstil bringt Eva Biringer komplexe Themen verständlich und berührend auf den Punkt. Ihre Sprache ist zugänglich, aber nie oberflächlich; sie vermittelt sowohl wissenschaftliche Fakten als auch emotionale Tiefe. Persönliche Anekdoten, bissige Kommentare und kluge Analysen machen die Lektüre zu einem intensiven Erlebnis, das wütend macht, aber auch zum Nachdenken und Handeln anregt.

Unversehrt ist ein feministisches Manifest für Veränderung und für alle, die sich für Geschlechtergerechtigkeit im Gesundheitswesen interessieren. Wir wünschen uns, dass es vor allem von männlichen Entscheidern in der Gesundheitspolitik gelesen wird, da ein einen wichtigen Beitrag zur feministischen Diskussion über Gesundheit und Körperlichkeit leistet.

Eine Sache, die uns im Kopf geblieben ist, weil sie zeigt, wieweit wir noch von echter Gleichstellung entfernt sind: “Lediglich ein Fünftel der 2020 und 2021 durchgeführten Covid-Studien berücksichtigte das Geschlecht (...) Studien zur Behandlung von Gesichtsfalten kommen auf stolze 90 Prozent Frauenanteil.”

Es ist verflixt: sind wir ehrlich, verfestigen wir das Vorurteil, all unsere Probleme hätten irgendwie mit unseren Hormonen oder Geschlechtsorganen zu tun, Stichwort Bikinimedizin. Sind wir es nicht, verhindern wir, dass weiblicher Schmerz sichtbar wird.