Interview

Mareike Adomat - Schlafcoach

Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im August 2024

Artikelbild Mareike Adomat - Schlafcoach

Foto: CAT Photography

Mareike Adomat ist eine zertifizierte Schlafcoachin und Expertin für Frauen in den Wechseljahren. Mareike hat einen Bachelor in Sportwissenschaft und einen Master in Prävention und Gesundheitsmanagement. Neben ihrer Tätigkeit als Gesundheitsmanagerin bei einer Krankenkasse hat sie sich mit MenoSleep selbstständig gemacht, um Frauen in den Wechseljahren durch fundiertes Wissen und gezielte Schlafberatung zu unterstützen. Ihre Leidenschaft für das Thema zeigt, wie wichtig es ist, frühzeitig Bewusstsein für diese Lebensphase zu schaffen.

Wie beeinflussen die hormonellen Veränderungen den Schlaf von Frauen in den Wechseljahren?

Der Einfachheit halber kann man vier Hormone betrachten. Das sind die weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron sowie Melatonin und Cortisol. 

Progesteron und Östrogen wirken sich beide positiv auf unseren Schlaf aus. Das Progesteron wirkt entspannend und ausgleichend, hat also eine sehr beruhigende Wirkung, die uns gerade abends schnell und gut einschlafen lässt. Das heißt, gerade zu Beginn der Wechseljahre, wenn das Progesteron abnimmt, können bereits erste Schlafprobleme auftreten. Der Tiefschlaf in der Mitte der Nacht wird durch Östrogen gefördert und kann gestört werden, wenn das Östrogen besonders in der Perimenopause langsam abnimmt. Viele Frauen merken das, indem sie nachts häufiger aufwachen und  sich der erholsame Tiefschlaf und die körperliche Regeneration reduzieren.

Melatonin ist das sogenannte Dunkelheit-Hormon und wird ausgeschüttet, sobald es dunkel wird. Die Melatoninproduktion erreicht im Kindes- und Jugendalter ihren Höhepunkt, wenn viele Wachstumsprozesse im Körper stattfinden. Im Laufe des Lebens nimmt der Melatoninspiegel allmählich ab, was dazu führt, dass in den Wechseljahren oft nur noch eine reduzierte Melatoninbildung stattfindet.

Cortisol als viertes Hormon ist das einzige Hormon, das nicht den hormonellen Schwankungen unterliegt, sondern auf einem meist hohen Niveau bleibt. Das heißt, es bleibt hoch, während die anderen Hormone langsam sinken. Dieses Ungleichgewicht ist die Ursache vieler Schlafprobleme. Denn die Stressbelastungen, bei denen Cortisol ausgeschüttet wird, nehmen in den Wechseljahren nicht ab, sondern eher zu: Gerade der Beginn der Wechseljahre ist für viele Frauen eine sehr stressige Phase, zum Beispiel wenn die Kinder ins Teenageralter kommen oder neue Veränderungen im Leben hinzukommen.

Progesteron und Östrogen wirken sich beide positiv auf unseren Schlaf aus. Das Progesteron wirkt entspannend und ausgleichend ... gerade zu Beginn der Wechseljahre, wenn das Progesteron abnimmt, können bereits erste Schlafprobleme auftreten.

Mareike Adomat
Mareike Adomat

Welche Schlafstörungen treten denn am häufigsten auf in den Wechseljahren?

Tatsächlich müssen wir unterscheiden zwischen Schlafstörungen und Schlafproblemen: Schlafprobleme sind vorübergehende oder gelegentliche Schwierigkeiten beim Einschlafen oder Durchschlafen und Schlafstörungen sind klinische Erkrankungen, die eine medizinische Abklärung erfordern. Bei Schlafstörungen kommt die Insomnie, also Ein- und Durchschlafstörungen, am häufigsten vor. Es wird angenommen, dass Frauen an Insomnie leiden, wenn sie an mindestens drei Tagen pro Woche über einen Zeitraum von mindestens einem Monat Schlafprobleme haben. In der Tat kann diese Problematik sehr häufig auftreten, insbesondere wenn man erst einmal in einen solchen Kreislauf aus Schlafproblemen geraten ist. In Deutschland betrifft dies laut DGSM (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V.) etwa 8 % der Frauen. Besonders in den Wechseljahren nimmt die Häufigkeit von Schlafstörungen zu.

Die zweite häufige Schlafstörung ist die Schlafapnoe, bei der es zu Atemaussetzern in der Nacht kommt, die durch Atemstillstände oder Schnarchen verursacht werden können. Diese Störungen sind oft auf Veränderungen in der Anatomie und Funktion des Rachenraums zurückzuführen. Besonders der Zungenmuskel verliert seine ursprüngliche Stärke und kann erschlaffen, wodurch die Zunge während des Schlafs nach hinten rutschen kann, was zu den Atemaussetzern führt. Interessanterweise tritt Schlafapnoe in den Wechseljahren häufiger auf und betrifft dann Frauen ebenso häufig wie Männer. Es ist wichtig, solche Symptome, wie das Schnarchen, ernst zu nehmen und abklären zu lassen, um mögliche gesundheitliche Risiken zu vermeiden.

Das Restless-Legs-Syndrom ist eine weitere häufige Schlafstörungen und wird beschreiben als ein unangenehmes Zucken in den Beinen, als ob ein „Ameisenrennen“ auf der Haut stattfindet, begleitet von einem Ziehen und Kribbeln. Dieser unangenehme Drang, die Beine zu bewegen, kann den Schlaf erheblich stören.

Mareike Adomat
Mareike Adomat

Eine weitere häufige Schlafstörung ist das Restless-Legs-Syndrom, das laut DGSM etwa 5 bis 10 % der Bevölkerung betrifft, wobei Frauen und ältere Menschen häufiger davon betroffen sind. Betroffene beschreiben oft ein unangenehmes Zucken in den Beinen, als ob ein „Ameisenrennen“ auf der Haut stattfindet, begleitet von einem Ziehen und Kribbeln. Dieser unangenehme Drang, die Beine zu bewegen, kann den Schlaf erheblich stören.

Ein hilfreicher Tipp zur Linderung vor dem Schlafengehen ist, sich körperlich zu betätigen, wie zum Beispiel durch einen Spaziergang, Dehnübungen, Beinmassagen oder ein kaltes Bad. Diese Maßnahmen können oft Erleichterung verschaffen. Ganz viel in der Schlafforschung ist tatsächlich gerade erst noch im Durchbruch und noch nicht vollständig erforscht. Die DGSM und Schlafmediziner bieten umfassende Aufklärung und fundierte medizinische Behandlung für diese Schlafstörungen an. 

Gibt es unterschiedliche Tipps für Frauen in den Wechseljahren versus Männer oder Frauen, die noch nicht in den Wechseljahren sind? Gibt es da Unterschiede?

Viele Schlafhygiene-Tipps sind weit verbreitet und gut bekannt: Alkohol kann Schlafprobleme verschärfen, und auch Kaffee, insbesondere wenn er spät am Tag konsumiert wird, kann das Einschlafen erschweren. Viele Menschen sind sich auch der positiven Wirkung von Entspannungsmethoden, regelmäßiger Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung auf den Schlaf bewusst.

Wichtiger als diese allgemeinen Tipps ist jedoch die Frage nach den spezifischen Auslösern für das Schlafproblem. Wenn man regelmäßig mit der Erwartung ins Bett geht, um 3 oder 5 Uhr morgens wieder aufzuwachen und nicht einschlafen zu können, sollte man sich fragen, was diesen Frust verursacht. Der entscheidende erste Schritt zur Lösung eines Schlafproblems besteht darin, die zugrunde liegenden Ursachen zu identifizieren und zu verstehen. In meinem Schlafcoaching arbeite ich daher mit einem umfassenden Analysegespräch und einem Schlafprotokoll, welches die Frauen in den ersten vier Wochen des Coachingprozesses ausfüllen.

Wann fangen Schlafprobleme deiner Erfahrung nach an?

Schlafprobleme treten oft schon früh in den Wechseljahren auf, häufig unbemerkt. Sie können durch den sinkenden Progesteronspiegel, der eine beruhigende Wirkung hat, verursacht werden. Diese Probleme sind eng mit anderen Wechseljahres-Symptomen wie Hitzewallungen und emotionalen Belastungen verbunden und sollten ernst genommen werden, da sie oftmals auch den Beginn der Wechseljahre signalisieren können.

Welche Rolle spielt denn Stress bei Schlafproblemen in den Wechseljahren und wie kann man dem denn entgegenwirken?

Stress ist eine der Hauptursachen für Schlafprobleme in den Wechseljahren. Es ist wichtig, den Schlaf und seine Rolle für die emotionale Stabilität zu verstehen. Also zu verstehen, wie schlafe ich denn eigentlich, welchen Einfluss hat es, wenn ich abends entspannt ins Bett gehe und welche Prozesse regeln meinen Schlaf?

Ein entspannter Übergang in die Nacht und die Priorisierung von ausreichend Schlaf helfen, Stress zu reduzieren. Der Schlaf ist ja dafür da, um die emotionale Balance wiederherzustellen und ganz viel Stressausgleich findet tatsächlich im Schlaf statt. Gerade in der Länge des Schlafes, also gerade in den letzten 2-3 Stunden des Schlafes finden wir Lösungen für Probleme, werden kreativ und entwickeln eine nachhaltige Resilienz.

Atemübungen, besonders die tiefe Bauchatmung, können bei Stress, Hitzewallungen oder erhöhter Pulsfrequenz beruhigend wirken. Regelmäßige Bewegung unterstützt den Abbau von Stresshormonen und macht uns widerstandsfähiger. Zudem sollte man mit positiven Gedanken und ohne Zeitdruck ins Bett gehen, um den Schlaf zu optimieren.

Gibt es denn darüber hinaus auch natürliche Methoden bzw. Nahrungsergänzungsmittel, die beim Schlafen helfen können oder die zur Verbesserung der Schlafqualität auch bringen können?

Es gibt viele natürliche Methoden, Schlafprobleme zu behandeln, die oft effektiver sind als Medikamente. Eine Hormonersatztherapie kann ebenfalls helfen. 

Nahrungsergänzungsmittel sollten nur bei bestätigtem Mangel nach ärztlicher Abklärung eingenommen werden. Mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung sowie einem allgemeinen gesunden Lebensstil können wir alle wichtigen Nährstoffe zu uns nehmen. Wer wirklich das Gefühl hat, dem Körper fehlt etwas, der sollte das erstmal über den Arzt abklären lassen. Leider geht der häufige Weg direkt in den Drogeriemarkt, weil man dann doch irgendwas empfohlen bekommen oder in der Werbung gesehen hat.  Melatonin, ein "Dunkelheitshormon", wird gerade oft beworben, aber der Körper kann es selbst herstellen, wenn er genügend Dunkelheit erhält und wir die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür bieten. 

Auch eine ausgewogene Ernährung mit tryptophanhaltigen Lebensmitteln wie Nüssen, Haferflocken und Fisch kann die Melatonin- und Serotoninproduktion fördern und so den Schlaf verbessern. Aber auch positive soziale Interaktionen, also Aktivitäten, die uns Spaß und Freude bereiten, das ist ebenso gut für unsere Serotoninproduktion.

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Gibt es denn darüber hinaus auch natürliche Methoden bzw. Nahrungsergänzungsmittel, die beim Schlafen helfen können oder die zur Verbesserung der Schlafqualität auch bringen können?

Es gibt viele natürliche Methoden, Schlafprobleme zu behandeln, die oft effektiver sind als Medikamente. Eine Hormonersatztherapie kann ebenfalls helfen. 

Nahrungsergänzungsmittel sollten nur bei bestätigtem Mangel nach ärztlicher Abklärung eingenommen werden. Mit einer gesunden und ausgewogenen Ernährung sowie einem allgemeinen gesunden Lebensstil können wir alle wichtigen Nährstoffe zu uns nehmen. Wer wirklich das Gefühl hat, dem Körper fehlt etwas, der sollte das erstmal über den Arzt abklären lassen. Leider geht der häufige Weg direkt in den Drogeriemarkt, weil man dann doch irgendwas empfohlen bekommen oder in der Werbung gesehen hat.  Melatonin, ein "Dunkelheitshormon", wird gerade oft beworben, aber der Körper kann es selbst herstellen, wenn er genügend Dunkelheit erhält und wir die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür bieten. 

Auch eine ausgewogene Ernährung mit tryptophanhaltigen Lebensmitteln wie Nüssen, Haferflocken und Fisch kann die Melatonin- und Serotoninproduktion fördern und so den Schlaf verbessern. Aber auch positive soziale Interaktionen, also Aktivitäten, die uns Spaß und Freude bereiten, das ist ebenso gut für unsere Serotoninproduktion.

Wie kann der Partner/ die Partnerin eine Frau, die Schlafprobleme in den Wechseljahren hat, unterstützen?

Es ist wichtig, das Thema Wechseljahre nicht nur für Frauen zugänglich zu machen, sondern auch Männer einzubeziehen und aufzuklären. Ein gemeinsames Verständnis und Interesse an dieser Lebensphase ist entscheidend. Männer sollten verstehen, was in den Wechseljahren passiert, ebenso wie in der Andropause (Wechseljahre der Männer). Offene Kommunikation ist essentiell, um die Veränderungen dieser Lebensphase Belastungen gemeinsam zu bewältigen. Die Wechseljahre sollten also nicht länger ein Nieschenthema bleiben, besonders wenn wir auch die Berufswelt betrachten, wo beispielsweise Kolleginnen ebenfalls unter Wechseljahre-Symptomen leiden können.

Zweisamkeit und das Reflektieren des Tages vor dem Schlafen fördert die Ausschüttung von Serotonin und Oxytocin, was wiederum den Schlaf unterstützt und die Beziehung stärkt. Ich empfehle daher gerade die Abendstunden für die Zweisamkeit und für die Familie zu nutzen.

Menotpause ist unser Motto. Wir wollen, dass sich keine Frau zurückgelassen fühlt oder sich nicht stark genug fühlt, durch diese Zeit zu gehen. Hast du denn einen Me not Moment oder einen Wunsch für die Wechseljahre?

Ich freue mich, dass ihr euch diesem Thema annehmt und wünsche mir, dass wir den Mut haben, offen über die Wechseljahre zu sprechen und das Thema für alle zugänglich zu machen. Ich bin selbst erst Anfang 30 und es sollte für uns alle selbstverständlich sein, dass wir uns alle damit befassen, nicht als Nischenthema, sondern als etwas, das uns alle betrifft. Besonders wichtig finde ich, dass Frauen sich frühzeitig informieren, um präventiv und selbstbewusst mit den Wechseljahren umzugehen. Lasst uns auch den Schlaf noch mehr in den Fokus rücken, denn er ist der wichtigste Grundbaustein für unser tägliches Wohlbefinden! 

Vielen Dank Mareike!

Zusammenfassung:

Mareike Adomat ist zertifizierte Schlafcoachin mit einem Fokus auf Frauen in den Wechseljahren und bietet mit ihrem Unternehmen MenoSleep fundierte Schlafberatung an.
Hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren beeinflussen den Schlaf von Frauen erheblich. Der Rückgang von Progesteron und Östrogen kann Schlafprobleme verursachen, da diese Hormone entspannend wirken und den Tiefschlaf fördern. Die Melatoninproduktion nimmt ebenfalls ab, was den Schlaf weiter beeinträchtigt. Stressabbau, Schlafhygiene und eine angepasste Schlafumgebung können helfen, die Schlafqualität zu verbessern.

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