Interview

Manuela von Winterfeld - Wechseljahreberaterin

Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im August 2024

Artikelbild Manuela von Winterfeld - Wechseljahreberaterin

Foto: Mirjam Kilter

Liebe Frau von Winterfeld, bitte stellen Sie sich einmal vor.

Ich bin ursprünglich Sinologin, habe auch in China gelebt und unterrichtet und habe mich am Anfang meiner Wechseljahre umorientiert, weil mich Gesundheit und Ernährung schon immer interessiert haben. Ich habe mich zunächst zur Ernährungsberaterin ausbilden lassen und dann - da half mir auch dieser chinesische Ansatz der Ganzheit - zur ganzheitlichen Gesundheitsberaterin. In diesem Zuge habe ich mich auf die Wechseljahre spezialisiert und arbeite seitdem als Wechseljahreberaterin in Einzelberatung, in Kursen, mit Vorträgen und einem Stammtisch.

In welcher Phase befinden sich die Frauen, die zu Ihnen kommen?

Es gibt sehr viele Frauen, die noch relativ am Anfang der Wechseljahre stehen, also Mitte 40, und die plötzlich körperliche oder psychische Veränderungen an sich bemerken. Die Frauen merken plötzlich, dass sie stressanfälliger sind, dass sie nicht mehr so viel Kraft haben und wissen nicht genau, wie sie das einordnen sollen. Da sie in der Regel noch ihre Periode haben, wird ihnen häufig gesagt, dass sie noch nicht in den Wechseljahren sind. Es wird oft fälschlicherweise angenommen, dass man erst in den Wechseljahren ist, wenn die Regel ausbleibt. 

Und das ist diese große Verunsicherung. Die Frauen haben dann zum Teil schon eine Ärzte-Odyssee hinter sich, zum Beispiel mit Symptomen, die man nicht unbedingt typisch den Wechseljahren zuschreibt und die dann oft eben nicht mit den Wechseljahren oder mit den Hormonen in Verbindung gebracht werden. Leider bekommen viele gesagt: ”Da müssen Sie jetzt durch”, und das hilft natürlich nicht.

Was ist das Hauptanliegen der Frauen, die zu Ihnen kommen?

Das Wichtigste ist die umfassende Aufklärung: zu verstehen, was im Körper vor sich geht. Es ist entscheidend, zu wissen, warum man plötzlich stärkerem Stress ausgesetzt ist, warum die Energie nachlässt oder das Gedächtnis nachlässt. Einige Frauen befürchten sogar, an Demenz zu leiden. Diese Unsicherheit über den eigenen Gesundheitszustand und darüber, welchen Weg man einschlagen sollte, ist oft überwältigend.

Daher ist es wichtig, sich klar zu machen, welche Maßnahmen ergriffen werden können und welche Fragen man beim Besuch bei der Frauenärztin oder dem Frauenarzt stellen sollte. Die richtige Information und Orientierung helfen, die eigenen Symptome besser einzuordnen und gezielt vorzugehen.

Das Wichtigste ist die umfassende Aufklärung: zu verstehen, was im Körper vor sich geht. Es ist entscheidend, zu wissen, warum man plötzlich stärkerem Stress ausgesetzt ist, warum die Energie nachlässt oder das Gedächtnis nachlässt.

Sie haben eingangs gesagt, dass sie verschiedene Formate anbieten: Einzelgespräche, Gruppengespräche und Stammtisch. Wie läuft eine typische Beratung ab?

Das Vorgehen ist individuell, beginnt jedoch immer mit einem Kennenlerngespräch, um zu prüfen, ob wir gut zusammenpassen. Anschließend folgt ein ausführliches Gespräch, in dem ich die Anliegen der Frauen erfahre und ihnen aus dem umfassenden Bereich der ganzheitlichen Gesundheit verschiedene Optionen vorstelle. Oft können durch Veränderungen in der Ernährung, Bewegung sowie durch Stressmanagement und Entspannung bedeutende Fortschritte erzielt werden.

Da ich keine Ärztin bin, kann ich keine medizinischen Verschreibungen vornehmen, aber ich kann die Frauen informieren und ihnen Impulse geben, wie sie diese Änderungen umsetzen können. In einem Folgetermin, der einige Wochen später stattfindet, überprüfen wir gemeinsam, was bereits gut funktioniert hat und ob es erste Fortschritte gibt. Je nach Bedarf gehen wir dann weiter auf die Thematik ein.

In der Gruppensitzung, die 6-12 Frauen umfasst, behandeln wir allgemeine Themen, die ich vorgebe. Jede Teilnehmerin nimmt dabei ihre individuellen Erkenntnisse mit, wobei die Gruppendynamik eine besondere Rolle spielt.

Unser drittes Angebot ist der Stammtisch mit dem einladenden Namen „Frau Hitze und ihr Kaltgetränk“, den ich gemeinsam mit meiner Kollegin Andrea Platz veranstalte. Alle zwei Monate treffen wir uns zu einem offenen Austausch, bei dem wir stets ein übergeordnetes Thema behandeln. Der Stammtisch bietet die Gelegenheit, persönliche Erfahrungen zu teilen, zu hören, wie es anderen Frauen geht, und sich über körperliche sowie psychische Symptome auszutauschen.

Bildbeschreibung

Wir hören manchmal, dass es schwierig ist, mit Freundinnen oder dem Partner über Wechseljahre zu sprechen. Was ist Ihre Erfahrung?

Frauen sprechen zwar oft über ihre Erfahrungen, doch es gibt auch solche, die in ihrem Freundeskreis wenig Verständnis für das Thema finden. Beispielsweise erzhälte eine sehr extrovertierte Frau beim Stammtisch, dass sie mit ihren Freundinnen nicht über ihre Wechseljahre redet. Hier kann der Stammtisch eine wertvolle Unterstützung bieten, da er den Austausch mit Frauen ermöglicht, die nicht so nahestehend sind.

Manchmal fällt es schwer, die eigenen Gefühle in Worte zu fassen. Wenn jemand sich erschöpft, müde oder gestresst fühlt und der Partner darauf nur mit „Ich bin auch gestresst“ reagiert, kann das frustrierend sein. 

Es ist wichtig, diese Gefühle in Ruhe zu erklären. Aber wenn ich selber nicht weiß, was mit mir los ist, kann ich es ja auch schwer Anderen erklären.

Für Männer könnte es hilfreich sein, mehr über die theoretischen Hintergründe zu erfahren, um besser zu verstehen, was im Körper der Frau vor sich geht. Ähnlich wie wir unseren Kindern in der Pubertät erklären, dass hormonelle Veränderungen verantwortlich für bestimmte Verhaltensweisen sind, könnte auch ein besseres Verständnis der körperlichen Prozesse während der Wechseljahre dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden und mehr Empathie zu fördern.

Ähnlich wie wir unseren Kindern in der Pubertät erklären, dass hormonelle Veränderungen verantwortlich für bestimmte Verhaltensweisen sind, könnte auch ein besseres Verständnis der körperlichen Prozesse während der Wechseljahre dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden und mehr Empathie zu fördern.

Das schließt direkt in unserer Abschlussfrage an. Unser Name ist ja auch unser Motto: me not pause. Was ist denn Ihr “Me not”-Moment?

Ich finde die Wechseljahre sind eine Chance, ganz viel im Leben zu betrachten und nochmal neu anzugucken, seine Träume anzuschauen. Durch die Wechseljahre gewinnt man nochmal eine andere Freiheit: wir sind nicht mehr beschäftigt mit Verhütung und mit dem Zyklus, wir sind älter und souveräner geworden, wir haben Erfahrungen gesammelt. Jetzt ist die Zeit, sich wieder auf sich selbst zu konzentrieren und zu gucken, was will ich wirklich? Das finde ich cool.

Ich finde die Wechseljahre sind eine Chance, ganz viel im Leben zu betrachten und nochmal neu anzugucken, seine Träume anzuschauen. Durch die Wechseljahre gewinnt man nochmal eine andere Freiheit.

Was ist Ihr Wunsch zum Thema Wechseljahre?

Letztendlich ist es das, dass wir offen mit dem Thema Wechseljahre umgehen, auch am Arbeitsplatz. Gleichzeitig sagen aber auch manche Frauen, dass sie das nicht wollen, weil sie dann wieder auf ihre Körperlichkeit reduziert werden. Nach dem Motto: Die haben schon wieder was. Früher hatten sie einmal im Monat ihre Regel und PMS und waren nicht gesund und jetzt stehen sie wieder in dieser Ecke. 

Insgesamt mehr Offenheit dem Thema gegenüber ist wichtig, dass es aus der Schamecke rauskommt und dass insgesamt besser informiert wird. Auch in der Ärzteschaft, denn die Wechseljahre werden im Medizinstudium sehr stiefmütterlich behandelt. Bei den Gynäkologen:innen, aber auch bei den Hausärztinnen wäre es hilfreich, wenn sie im Kopf haben, dass auch die Hormone im Spiel sein könnten.

Mein Wunsch ist auch, dass die Frauen die Wechseljahre nicht nur als schreckliche Zeit sehen. Es ist nur eine Phase und es hört auch wieder auf. Es ist eine Übergangsphase und Übergänge sind immer ein bisschen fließend. Wir sollten versuchen, anders damit umzugehen und uns zu stärken und zu ermutigen, dass es danach wieder ganz kraftvoll weitergeht.

Herzlichen Dank für das Interview!

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