Interview

Monika Wacker- Partnerschaft und Intimität in den Wechseljahren

Veröffentlicht von Saskia Scheibel im August 2024

Artikelbild Monika Wacker- Partnerschaft und Intimität in den Wechseljahren

Foto: Grit Siwonia, Berlin

Wir haben mit Monika Wacker, der Gründerin von besserlieben.de, über potenzielle Herausforderungen für die Partnerschaft in den Wechseljahren gesprochen. Monika ist Diplom-Pädagogin und Heilpraktikerin für Psychotherapie mit Schwerpunkten, wie z.B. Emotionsfokussierter Paartherapie und Sexualtherapie und hat die einzigartige Plattform besserlieben.de gegründet, auf der Menschen geeignete und seriöse Paartherapeut:innen finden können. Eine beraterische Grundausbildung von ungefähr 500 Unterrichtseinheiten sowie eine Fachweiterbildung mit mindestens 100 Stunden, z.B. im Bereich Paarberatung, sind die Voraussetzung, auf der Plattform gelistet zu werden.

Was ist Ihr Anliegen bei “besserlieben.de”?

Das Anliegen ist, dass alle Menschen, die Paar- und Sexualberatung suchen, möglichst einfach möglichst die beste Beratung finden und auf Menschen treffen, die dafür qualitativ hochwertig ausgebildet sind. Das ist ein ungeschützter Beruf, da gibt es alles Mögliche auf dem Markt, und wir wollen, dass das Feld professionell bespielt wird. Gleichzeitig haben Expert*innen, die etabliert sind oder kostenfreie Beratungsstellen haben, unglaublich lange Wartelisten. 

Paar- und Sexualtherapie sind keine geschützten Berufsbezeichnungen, da gibt es alles Mögliche auf dem Markt. Wir von besser:lieben wollen, dass das Feld professionell bespielt wird.

Monika Wacker
Monika Wacker - Gründerin von besserlieben.de

Finden Ihre Beratungen online oder offline statt?

Sowohl online als auch offline. Tatsächlich beraten die meisten Berater:innen am liebsten offline vor Ort im Praxisraum. Es gibt Studien dazu, dass das auch effizienter und sinnvoller ist. Trotzdem gibt es natürlich auch gute Gründe für Online-Beratung. Zum Beispiel für  Paare, die in Fernbeziehung leben oder im Ausland leben, ebenso für Paare, die kleine Kinder haben oder pflegende Angehörige sind, die das Haus nicht so gut verlassen können und auf Flexibilität angewiesen sind. Während Corona hat sich Onlineberatungauch nochmal ein Stück etabliert und professionalisiert.

Bildbeschreibung

Interview mit Monika Wacker

Was haben die Beraterinnen auf Ihrer Plattform für berufliche Hintergründe?

Wir haben ganz unterschiedliche Hintergründe dabei. Es gibt Berater*innen, die einen  fachverwandten Grundberuf haben, die z.B. Sozialpädagogik oder Psychologie studiert haben. Andere kommen aus Fachberatungsstellen und haben sich dann in die Selbstständigkeit begeben. Aber es gibt auch Menschen, die irgendwann einen beruflichen Wechsel vollzogen haben und einen ganz anderen beruflichen Hintergrund haben. Und  es gibt auch bei uns einige Frauen, die tatsächlich in den Wechseljahren oder nach der Familienphase noch mal eine Neuorientierung wollen und aus persönlichen Krisen heraus das Thema für sich entdecken. 

Wenn sich der eigene Körper verändert in den Wechseljahren, hat das natürlich Auswirkungen auf die Sexualität in einer Beziehung.

Monika Wacker
Monika Wacker - Gründerin besserlieben.de

Was sind, Ihrer Erfahrung nach, typische Anliegen oder Probleme, die Frauen im Kontext der Partnerschaft und Intimität in den Wechseljahren haben?

Frauen, die schon länger in der Paarbeziehung sind, merken in dieser Zeit manchmal, dass Veränderung ansteht. . Während sie vorher vielleicht eher im Funktionsmodus waren und alles nur “abgefrühstückt” werden musste, richtet sich mit den Wechseljahren der Blick oft wieder mehr auf sich selbst. Wo spüre ich mich? Was sind meine eigenen Bedürfnisse? Diese Frauen sind dann nicht mehr nur in der Versorgerinnenrolle. Wechseljahresbedingte Stimmungsschwankungen und der oft steigende Leidensdruck führen dazu, dass Veränderungen in der Partnerschaft vorgenommen werden wollen. Es passiert ganz viel mit meinem Körper, ich muss mich mehr um mich selbst kümmern oder ich habe Symptome, die dazu führen, mehr Selbstfürsorge zu praktizieren und das wirkt sich natürlich auch auf Partnerschaften aus. Hinzu kommen potenziell Schmerzen beim Sex, mehr Lust oder weniger Lust als vorher. Das ist oft ein schöner Prozess, dass Frauen zum ersten Mal gar nicht mehr in der Lage sind, nicht auf sich selbst zu achten, sondern der Körper sie eigentlich dazu zwingt, sich zu fragen, welche Sexualität eigentlich die ist, die ihr wirklich entspricht, statt sich danach zu richten, was der oder die Partner*in am liebsten mag. In den Wechseljahren gibt es oftmals einen großen emanzipativen Schub, der dann spannend für Partnerschaften ist. - Das kann den/die Partner*in schon auch sehr fordern. 

In den Wechseljahren gibt es oftmals einen großen emanzipativen Schub, der dann spannend für Partnerschaften wird.

Monika Wacker
Monika Wacker - Gründerin besserlieben.de

Welche Themen beschäftigen Männer der betroffenen Frauen?

Es gibt auch bei Männern immer mehr Bewusstsein dafür, dass sich in den Wechseljahren etwas verändern kann, und dass man damit umgehen kann. Viele Männer möchten, dass Sexualität für ihre Partnerin lustvoll und angenehm ist und sind bereit, mitzugehen in die Veränderung. Wir beobachten aber auch Wechseljahrehrsdiskriminierung, nach dem Motto, “Sie ist doch nur in Wechseljahren”, also Männer mit einer Haltung, dass Frauen in den Wechseljahren nicht mehr richtig “funktionieren” und das wieder “ins Lot” bringen sollen. Ich bin daher ein Fan von Midlife Crisis und Wechseljahren, weil darin ganz viel Potenzial für positive Veränderung sowohl bei den Frauen als auch in den Partnerschaften liegt. Dieses Mindset rüberzubringen ist auch ein Job von Paar-  und Sexualberater:innen.

Ich bin (...) ein Fan von Midlife Crisis und Wechseljahren, weil da ganz viel Potenzial für positive Veränderung drin liegt.

Monika Wacker
Monika Wacker - Gründerin besserlieben.de

Studien zeigen, dass Frauen in den Wechseljahren häufig ihre Beziehungen hinterfragen und über Trennung oder Scheidung nachdenken. Können Sie das bestätigen?

Ja, wobei ich nicht glaube, dass die Wechseljahre tatsächlich der Grund dafür sind. Wenn die Kinder aus dem Haus sind und Frauen wieder (mehr) arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen, kann das dazu beitragen, dass sie schneller über Trennung nachdenken, wenn sie nicht glücklich sind. Gleichzeitig glaube ich aber auch, dass Frauen in den Wechseljahren auf einmal herausgefordert werden, mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten und daher mehr in sich hinein horchen, wie gut es ihnen in ihrer Partnerschaft geht. Die Wechseljahre fordern zur Selbstfürsorge heraus - es kommt drauf an, ob eine Partnerschaft stabil und flexibel genug ist, dies möglich zu machen.

Frauen (werden) in den Wechseljahren auf einmal herausgefordert (...), mehr auf ihre eigenen Bedürfnisse zu achten und daher mehr in sich hinein zu horchen, wie gut es ihnen in ihrer Partnerschaft geht.

Monika Wacker
Monika Wacker - Gründerin besserlieben.de

Was ist Ihr Nummer Eins Tipp für Paare, die unter den Beschwerden der Wechseljahre leiden?

Die Wechseljahre als Einladung sehen, herauszufinden: Was braucht es jetzt für uns als Paar, das wir vorher noch nicht im Repertoire hatten?. Und da kann es ja viel geben: eine andere Streitkultur zum Beispiel, mehr Austausch über eigene Bedürfnisse, Auseinandersetzung mit dem Altern, Nachsicht miteinander, andere Formen von körperlicher Nähe, und.. und.. und. Es geht darum, sich auf die Einladung der Wechseljahre zum gemeinsamen Forschen einzulassen. Es geht ums gemeinsame Losgehen, nicht um eine Pause, bis “es überstanden” ist!

Manchmal kommen durch die Wechseljahre auch unerwartete Lustschübe bei Paaren, die jahrelang einvernehmlich keinen Sex mehr hatten.

Monika Wacker
Monika Wacker - Gründerin besserlieben.de

Unser Name ist ja auch unser Motto: Me not pause. Was war Ihr bester “Me not pause” Moment in Ihrem Job?

Mir fällt aus der Sexualberatung ein Paar ein, das  sich aus dieser Krise heraus eine ganz neue gemeinsame Sexualität aufgebaut hat. und diese Sexualität war viel entspannter, viel mehr auf Kontakt und Begegnung gemünzt als die 15 gemeinsamen Jahre zuvor. Die beiden haben sich komplett von ihrer “Standard Performance” im Bett verabschiedet, die sie vorher miteinander praktiziert haben und sind nochmal ganz neue Wege gegangen. Mir fallen auch Frauen ein, die durch die Wechseljahre gemerkt haben, dass sie gar nicht viel ausprobiert haben in ihrem Leben und ganz  neugierig auf ihren eigenen Körper geworden sind, und wo es dann nochmal sowas wie ein neues sexuelles Erwachen gab. Manchmal kommen durch die Wechseljahre auch unerwartete Lustschübe bei Paaren, die jahrelang einvernehmlich keinen Sex mehr hatten. Diesen Prozess zu beobachten ist wirklich toll. 

Es geht darum, sich auf die Einladung der Wechseljahre zum gemeinsamen Forschen einzulassen. Es geht ums gemeinsame Losgehen, nicht um eine Pause, bis “es überstanden” ist!

Monika Wacker
Monika Wacker - Gründerin besserlieben.de

Vielen Dank für das Interview

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