Interview

Elisabeth Kippenberg - Hormonyoga

Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im August 2024 in Sport & Bewegung

Artikelbild Elisabeth Kippenberg - Hormonyoga

Foto: Claudia Bernhard

Elisabeth Kippenberg ist die Gründerin des Female Health Yoga Studios You Glow Yoga & Womanhood in Berlin. Sie ist eine zertifizierte Yogalehrerin und Hormonexpertin, die sich auf Frauengesundheit spezialisiert hat. Elisabeths Studio bietet eine Vielzahl von Yoga-Kursen an, darunter Hormon-, Zyklus-, Endometriose-, Fruchtbarkeits- und Schwangerschaftsyoga. Ihr Ziel ist es, Frauengesundheit aus der Tabuzone zu holen und Frauen durch spezialisierte Yoga-Praktiken zu unterstützen. Foto: Claudia Bernhard

Wie genau bist Du zum Hormon Yoga gekommen?

Ich bin zum Hormon Yoga gekommen durch meine eigene Kinderwunsch-Geschichte. Ich bin nicht natürlich schwanger geworden und damals - vor 10 Jahren - hat niemand über das Thema geredet. Es gab Informationen in der Kinderwunschpraxis, aber sonst gab es nicht wirklich viel, was man ergänzend hätte tun können.

Ich habe dann die künstliche Befruchtung mit Hormonbehandlung gemacht und so zwei Kinder bekommen, aber es hat mich nicht losgelassen, dass es nur die einzige Möglichkeit geben sollte. Dann habe ich angefangen mich mit Hormonen zu beschäftigen und dann relativ schnell gesehen, was es bringt und wie es wirken kann. 

Durch die ganzen Gespräche in meinem Studio habe ich schnell gemerkt, dass ganz, ganz viele Frauen "Hormon-Themen" haben wie unerfüllter Kinderwunsch, Endometriose und Wechseljahresbeschwerden. Dafür gibt es aber keine Sichtbarkeit und eigentlich auch niemand, der sich so richtig um die Frauen kümmert.

Und so ist unser Studio entstanden mit dem Fokus auf Frauengesundheit und wir bekommen sehr positive Resonanz, dass wir jetzt weitere Studios öffnen. 

Was ist das Hauptanliegen von den Frauen, die zu euch kommen? 

Das ist sehr unterschiedlich, aber bei Hormon-Yoga ist es meistens so, dass die Frauen gestresst sind und schon eine gewisse Reise hinter sich haben. Viele waren bei verschiedenen Ärzten und sind frustriert, weil ihnen keiner hilft und sie nicht wissen, was sie tun sollen. 

Es kommen immer mehr Frauen mit Wechseljahresbeschwerden. Ich habe das Gefühl, dass Frauen auch Lust haben, etwas zu machen und aktiv zu werden und das nicht einfach nur ertragen wollen. In meinem letzten Hormonyoga Kurs waren zwei Frauen auf Empfehlungen ihrer Gynäkologen da, was mich total gefreut hat, dass es jetzt auch weiter empfohlen wird.

Streßreduktion spielt eine wahnsinnig große Rolle beim Hormon-Yoga. Die zweite Komponente ist die Stimulation des endokrinen Systems, um die Funktion wieder anzuregen.

Elisabeth Kippenberg

Was ist eigentlich Hormon-Yoga und wie kann es bei Wechseljahresbeschwerden helfen?

 Ursprünglich wurde es von Dina Rodrigues, in den 90ern entwickelt. Eine Yoga-Dozentin, die selbst in die Wechseljahre kam und eine Alternative zur Hormonersatztherapie gesucht hat. 

Sie hat sich bei unterschiedlichen Disziplinen bedient, deswegen ist Hormon-Yoga relativ komplex. Das heißt, wir arbeiten zum einen mit Asanas, den Körperhaltungen aus dem Yoga und wir arbeiten mit Pranayama, den Atemübungen. Es gibt Meditationsübungen und Entspannungen, es gibt Energielenkungen aus dem tibetischen Heilyoga, Akkupressurpunkte aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und dann noch sogenannte Energieflüsse, Mudras und Bandhas. Diese zu praktizieren oder zu erlernen ist am Anfang relativ komplex, weil man viele Sachen gleichzeitig macht. 

Das Ziel des Ganzen ist es, das endokrine System zu harmonisieren und die Hormone natürlich wieder in Balance zu bringen. Energiearbeit und Hormonbalance stehen viel mehr im Fokus bei Hormon-Yoga als bei anderen Yoga-Stilen. 

Was aber alle Yoga-Stile eigentlich befolgen, ist den Cortisol-Spiegel zu senken. Ein dauerhaft erhöhter Cortisol-Spiegel ist ein riesiges Problem für die Hormone. Cortisol ist ein Steroid-Hormon, genau wie unsere Sexualhormone Östrogen und Progesteron, und alle drei Steroid-Hormone werden aus den gleichen Grundbausteinen gebaut. Wenn sich der Körper entscheiden muss zwischen einem Stress-Hormon - also Lebenserhalt - und einem Sexualhormon, dann wird er sich für den Lebenserhalt entscheiden und diese Grundbausteine ins Cortisol geben und nicht in die Sexualhormone. 

Zusätzlich zur Senkung des Cortisol Spiegels hat Hormonyoga die Wirkweise, die Produktion von Östrogen anzuregen, eben durch die Asanas, Pranayama, Akupressur und Energielenkung. Durch diese beiden Komponenten wird das endokrine System harmonisiert und ausgeglichen

Das heißt, die gestressten Frauen, die zu uns kommen, haben ein Thema mit Hormonen, weil dieser dauerhaft erhöhte Cortisol-Spiegel langfristig dazu führt, dass zu wenig Baumaterial für Sexualhormone vorhanden ist. 

Bildbeschreibung

Wie häufig sollte ich Hormon-Yoga praktizieren? Was ist eure Empfehlung für Frauen, die Wechseljahresbeschwerden haben? 

Es ist total unterschiedlich. Die generelle Empfehlung bzw. das, was in den Studien von Dina herausgekommen ist, war je öfter, je besser. Ich empfehle zwischen 3-5 Mal die Woche Hormon Yoga zu praktizieren. 

Aber auch hier ist es wieder sehr unterschiedlich: Ich hatte Frauen dabei, die haben ein, zwei Mal praktiziert und sofort gesagt, dass sie sich viel besser fühlen. Und es gibt aber auch Frauen, die gar nichts merken und für die die Praxis einfach nichts ist. Und auch das ist okay. 

Gerade in den Wechseljahren ist es aber auch wichtig, die Praxis mit Kraftaufbau zu ergänzen, um dem Muskelschwund entgegenzuwirken, z.B. mit Power Vinyasa Yoga, mit dem man auch den Stoffwechsel anregen kann. Denn auch Hormone haben einen Stoffwechsel, der gut funktionieren muss. Es soll auf jeden Fall kein zusätzlicher Stress sein, sondern Spaß machen. 

Gibt es denn ein paar Übungen, die besonders gut funktionieren? Wenn ich eine Übung am Tag machen sollte - welche wäre das?

Es gibt eben nicht eine Übung, weil das Hormonsystem ja nicht aus einer Drüse besteht. Es ist wichtig, immer das gesamte System zu stimulieren: die Eierstöcke dazu, die Schilddrüse, die Nebenniere, die Hypophyse etc. Deswegen eben nicht nur eine Übung, sondern man kann eine kurze Reihe machen. 

Aber wenn du eine Sache am Tag machen möchtest, dann würde ich immer sagen, 5 Minuten Achtsamkeit. Einfach mal die Augen zumachen, atmen und mal ganz kurz mit dir einchecken, um zu verstehen, wie geht es mir heute eigentlich und was brauche ich heute? 

Ich beobachte, dass die meisten Frauen das nicht machen, sie nicht wissen, was sie brauchen und wie es ihnen geht. Wenn ich weiß, wie es mir heute geht und was ich brauche, kann ich meinen Tag auch viel besser ausrichten. Und wenn ich merke, ich habe heute nicht so viel Energie, dann muss ich nicht zum Power Yoga gehen und mich stressen, weil ich das alles nicht schaffe.

Wenn du nur eine Sache am Tag machen möchtest, dann würde ich immer sagen: 5 Minuten Achtsamkeit.

Elisabeth Kippenberg

Dina Rodrigues hat verschiedene Fallstudien durchgeführt, die zeigen, dass Hormonyoga sehr gut funktioniert. Darüber hinaus gibt es keine wissenschaftlichen Studien, welche die Wirksamkeit belegen. Was sind denn deine Erfahrungen von den Frauen? 

Also es ist wirklich ganz unterschiedlich. Wie schon gesagt, die einen sofort, die anderen gar nicht. Was ich aber sagen kann, dass viele Frauen sich bei regelmäßiger Praxis besser fühlen, dass insbesondere ihre Stimmung hochgeht, ihre Energie hochgeht, dass sich ihre Vitalität verbessert. Ich habe Frauen, die mir berichten, wenn sie noch einen Zyklus haben, dass der Zyklus regelmäßiger ist und sie weniger Schmerzen haben. Insgesamt haben sie eine bessere Stimmung und mehr Energie. 

Bildbeschreibung

Was ist dein Wunsch zum Thema Wechseljahre? 

Ich wünsche mir, dass sich alle Frauen über das Thema Wechseljahre informieren, um zu verstehen, was im Körper passiert. Welches Mittel die Frauen am Ende wählen, ist ja jedem selbst überlassen. Aber die Information, die Aufklärung ist erstmal das Allerwichtigste, damit Frauen wissen, was passiert. 

Erst neulich kam eine Frau neu in den Kurs, die erzählte, dass sie in letzter Zeit so schlechte Laune gekriegt hat und dass ihre Energie weg war und sie gar nicht verstanden habe, was mit ihr passiert, bis ihre ältere Schwester gesagt hat; das sind die Wechseljahre. Und diese Frau war 49. Daher: Aufklärung. 


Elisabeth, vielen Dank für das spannende Interview - hat mir viel Spaß gemacht! Alle, die in Berlin wohnen, können gerne auch direkt bei YouGlow vorbeischauen.

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