Interview

Dr. med. Ursula Manunzio - Sport in den Wechseljahren

Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im Juli 2024 in Sport & Bewegung

Artikelbild Dr. med. Ursula Manunzio - Sport in den Wechseljahren

Foto: Katharina Wislsperger

Frau Dr. Ursula Manunzio ist ärztliche Leiterin des Bereichs Leistungs- und Freizeitsport der Sportmedizinischen Sektion der Uniklinik Bonn, sowie Ärztin in der sportmedizinischen Praxis OSIOS in Bonn. Sie ist Ärztin für Sportmedizin, Ernährungsmedizin, Kardiovaskuläre Präventivmedizin DGPR.

Vielen lieben Dank Frau Dr. Manunzio, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Vielleicht möchten Sie sich einfach mal ganz kurz vorstellen?

Herzlichen Dank. Mein Name ist Dr. Ursula Manunzio, ich bin Ärztin für Sportmedizin, Ernährungsmedizin, Rehabilitation und Prävention. Jeder, der mit Bewegung sein Leben verbessern will, ist bei mir genau richtig. Das fängt an beim Spitzensportler, der sich auf die Weltmeisterschaft vorbereitet, das ist aber auch der Übergewichtige oder der Normalgewichtige, der noch nie in seinem Leben Sport gemacht hat und das ändern will. Das sind genauso Krebspatienten wie Herzpatienten. Das ist jung bis alt. Bei uns ist jeder herzlich willkommen.

Ich glaube, dass Sport wichtig ist, das hat sich schon rumgesprochen. Aber warum ist Sport vor allem in den Wechseljahren so wichtig?

Grundsätzlich ist Sport tatsächlich immer wichtig. Das ist völlig unabhängig von der Lebensphase. Aber auch in den Wechseljahren können wir so viel durch den Sport beeinflussen. 

Es ist ja schon leider so, dass sich durch die Umstellung der Hormone erst mal vieles, auf den ersten Blick hin, negativ im Körper verändert. Wobei man Fairness halber sagen muss, dass es nicht nur die Wechseljahre sind, sondern auch der physiologische Alterungsprozess.

Und da können wir ganz aktiv dagegen wirken, lindern - wenn nicht sogar einige Beschwerden aufhalten - und ganz viel Lebensqualität durch einen aktiven Lebensstil gewinnen. Und wenn ich das vorher noch nicht gemacht habe, dann ist das spätestens der Zeitpunkt, wo ich damit anfangen sollte.

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Eine Kombination von Ausdauer- und Kraftsport ist optimal

Und was kann man aufhalten, was kann man verhindern?

Es ist ja so, dass mit diesem Abfall der Hormone, also vor allem Östrogen und Progesteron, eine Umverteilung des Fettgewebes stattfindet. Es lagert sich mehr viszerales Fett an, die Muskelmasse sinkt und die Knochensubstanz wird dünner. Aber die gute Nachricht ist, dass ich dem nachweislich durch Training entgegenwirken bzw. es stoppen kann. Und deshalb sollte man das unbedingt integrieren.

Wenn ich mir zum Beispiel eine Hitzewallung angucke, dann muss ich verstehen, was da passiert. Mit dem Abfall von Östrogen und Progesteron steigen die Stresshormone an, Adrenalin und Noradrenalin. Ich kann zwar nicht aufhalten, dass ich überhaupt Hitzewallung bekomme, aber ich kann die Häufigkeit und die Intensität durch Training reduzieren. Denn regelmäßiges Training, obwohl der Sport akut erstmal auch eine Stresshormonausschüttung bewirkt, reduziert Stress und gleichzeitig steigert es die Ausschüttung der Glückshormone Endorphine und Serotonin und diese gesamte Wirkung hat einen positiven Einfluss.

Die Wechseljahre gehen häufig auch mit einer depressiven Stimmungslage einher. Auch da kann ich ganz aktiv durch einen gesunden Lebensstil entgegenwirken. Also ich habe auf allen Ebenen eigentlich gewonnen, sowohl im physiologischen, als auch im psychologischen Bereich. Ich fühle mich insgesamt wohler. 

Und so ist es ja auch mit den PMS Beschwerden. Viele Fragen sagen: “Ich fühle mich doch so schlecht, wie soll ich da noch Sport machen?” Aber genau das Gegenteil ist der Fall. Wenn ich es schaffe, mich aufzuraffen, lösen sich die Schmerzen, die Krämpfe hören auf, ich fühle mich insgesamt besser. Und genauso ist das mit den Wechseljahresbeschwerden. Je müder und schlapper ich mich fühle, desto eher sollte ich zum Sport greifen, auch wenn es erst mal irgendwie ein bisschen kontrovers klingt, weil es mir einfach dramatisch besser gehen wird.

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Ärztin für Sportmedizin, Ernährungsmedizin, Kardiovaskuläre Präventivmedizin DGPR.

Womit sollte man dann anfangen? Kraftsport, Ausdauersport, Yoga? Was ist da Ihre Empfehlung und was sehen Sie in der Praxis?

Auf jeden Fall mit allem - die Kombination ist es! Also grundsätzlich motiviere ich dazu, erst mal mit dem anzufangen, was Freude macht, dann kann ich viel leichter dabei bleiben. 

Das Ausdauertraining hilft z.B. gegen dieses ungünstige Lipid-, also FettProfil, was sich in den Wechseljahren entwickelt, ganz extrem. Das Krafttraining hilft gegen den Muskelverlust und den Umbau der Knochen. Die Knochenstabilität wird gestärkt und durch das Krafttraining habe ich auch wieder einen höheren Grundumsatz, der ja in den Wechseljahren auch runtergeht und kann somit wieder mehr essen. Ich finde das immer sehr motivierend. 

Die Flexibilität muss ich natürlich trainieren, damit die Gelenksteifigkeit gar nicht erst Einzug hält mit diesen entsprechenden Beschwerden. Ich sehe grundsätzlich, dass eine sporttreibende Frau gar nicht erst so viele Wechseljahresbeschwerden erfährt.

Das heißt, wenn ich schon vorher anfange, bekomme ich gar nicht erst diese starken Beschwerden und wenn ich sie doch habe, dann kann ich aber immer noch was ändern durch den Sport. Fazit: es ist nie zu spät und dann möglichst von allem etwas.

Regelmäßige sportliche Check-ups: ein Auto bringen wir auch regelmäßig zum TÜV. Warum nicht den Körper? Man will ja ohne Sorge trainieren.

Dr. med. Ursula Manunzio - Sportliche Check-ups

Sie haben eben gesagt, dass es am Anfang Sinn macht, erstmal einen Check-up zu machen. Sollte das jeder machen, der er anfängt Sport zu treiben? Alle Altersklassen? 

Ja, und wir fangen wirklich mit Sechsjährigen an und der älteste Patient, den ich betreue, ist mittlerweile 93. Vielleicht ein komisches Beispiel: ein Auto bringen wir auch regelmäßig zum TÜV. Warum nicht den Körper? Man will ja ohne Sorge trainieren. Und ich sehe viele Leute, die einfach aus Unwissenheit oder aus Sorge sich zu viel zu belasten, gar nicht die Effekte rausholen, die sie rausholen können. Gerade unter dem Aspekt, dass man nicht so viel Zeit hat, macht manchmal ein hochintensives Training Sinn und das würde ich nicht ohne Check up machen.

Viele Frauen sagen, dass sie kein Krafttraining im Fitnessstudio machen möchten, weil sie sich da nicht wohl fühlen oder es unpraktisch ist, ein Personal Trainer ist sehr teuer. Haben Sie da einen Tipp?

Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Fitnessstudio, tut gar nicht not. Ich muss mir keine Klamotten kaufen, ich muss nicht irgendwo hinfahren, ich muss nicht teure Geräte anschaffen. Ich kann das alles mit meinem eigenen Körpergewicht machen. 

YouTube ist voll von wirklich guten Videos, die man zuhause machen kann. Am besten die Matte direkt ausgerollt liegen lassen und dann immer, wenn man ein bisschen Zeit hat, etwas machen. 

Habe ich heute Lust auf Krafttraining? Habe ich Lust auf Cardio? Habe ich Lust auf Pilates oder Yoga? Und dann mache ich das zu Hause für mich. Ich muss mich weder umziehen noch stylen, noch irgendwas, sondern ich mache es quasi im Schlafanzug, bevor ich ins Bett gehe. Das empfehle ich wirklich auch jedem.

Es braucht ein bisschen Mut, auch aus ärztlicher Sicht. Es ist natürlich einfacher, jdm. eine Tablette zu geben. Die Patient:in ist dann zufrieden und geheilt und man selbst hat auch das Gefühl, dass man etwas getan hat. Wenn ich der Patient:in erst mal nur eine Empfehlung zu Lebensstilveränderung gebe, muss man als Arzt auch erstmal aushalten, dass es dauert. Aber die Effekte über die Jahre haben mich so überzeugt, dass das der Weg ist, den man immer zuerst versuchen sollte, zumindest begleitend.

Dr. med. Ursula Manunzio - Mut zur Lebensstiländerung

Gutes Stichwort: hochintensives Training. Das liest man ja immer wieder, dass das wirklich den Körper pusht und auch gerade Sprünge und Schnellkraftübungen sehr sinnvoll sind. Aber das macht einen riesigen Unterschied, oder?

Es macht einen riesigen Unterschied. Ich sage immer: "Die Dosis macht das Gift." Sport muss man als Sportmediziner genauso dosieren lernen wie jedes andere Medikament, weil man auch da zu viel machen kann. Genau das kann man aber lernen und die Patienten gut beraten, damit sie eben nur positive Effekte rausziehen und sich eben nicht kaputt trainieren. 

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Was ist denn Ihr Wunsch zum Thema Wechseljahre, gerade in Verbindung zu Sport oder auch Wechseljahre allgemein?

Zum einen, dass es aus diesem Gruselkabinett rauskommt. Man kann die Wechseljahre schon so darstellen, als wäre das Leben vorbei und jetzt ist es schrecklich und alles Gute ist weg. 

Und so ist es ja nicht. Zum einen ist es ein Stück weit natürlicher Alterungsprozess, den auch die Männer durchleben müssen. Und wenn ich mich dagegen wehre, wird es nicht besser. Das heißt, ein Stück weit muss ich auch annehmen. Aber - und das finde ich diese total schöne Nebenbotschaft - ich habe es in der Hand, wie es sich verändert. Wir werden alle irgendwann älter, aber schauen Sie sich doch mal eine 60- Jährige an, die sich ihr Leben lang gut ernährt und Sport gemacht hat und eine 60-Jährige, die das nie gemacht hat, raucht und übergewichtig ist. Das habe ich in der Regel selbst in der Hand. 

Ich kann es immer ändern, es ist nie zu spät. Ich kann wirklich nur sagen, aus Erfahrung und tiefster Überzeugung und aus dem eigenen Herzen: es lohnt sich so sehr, auch wenn es am Anfang hart ist, aber es wird so viel besser.

Dann sind wir schon bei unserer Abschlussfrage: Unser Name ist ja gleichzeitig auch unser Motto. Wir wollen, dass alle Frauen ab 40 wissen, was sie in den Wechseljahren erwartet, damit sie eben auch da selbstbestimmt durchgehen können. Was ist denn Ihr “Me not” Moment? Also was ist ihnen besonders wichtig?

Lasst euch nicht ausbremsen, egal von was. Vom Periodenschmerz, von Hitzewallungen, von sonstigen Wechseljahresbeschwerden und schon gar nicht, weil ihr eine Frau seid. Das ist so wichtig.

Vielen Dank für das Interview.

Zusammenfassung:

Dr. Ursula Manunzio, Ärztin für Sportmedizin, Ernährungsmedizin, Rehabilitation und Prävention, betont die Bedeutung von Sport in den Wechseljahren. Sie erklärt, dass regelmäßige Bewegung viele Beschwerden lindern oder sogar verhindern kann, darunter Hitzewallungen, depressive Verstimmungen und körperliche Veränderungen. Dr. Manunzio empfiehlt eine Kombination aus Ausdauer-, Kraft- und Flexibilitätstraining und betont, dass jede Art von Bewegung hilfreich ist. Sie rät zu einem sportmedizinischen Check-up und ermutigt dazu, Bewegung in den Alltag zu integrieren. Die Ärztin kritisiert, dass Wechseljahresbeschwerden in der Medizin oft nicht ausreichend berücksichtigt werden und plädiert für mehr Aufklärung. Ihr Wunsch ist es, dass die Wechseljahre nicht als schreckliche Phase wahrgenommen werden, sondern als natürlicher Prozess, den Frauen aktiv und positiv gestalten können.

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