Interview

Dr. Katharina Maria Burkhardt

Veröffentlicht von Saskia Appelhoff im September 2024

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Dr. Katharina Maria Burkhardt ist Hormonforscherin und Mitbegründerin und Leiterin des Netzwerks für bioidente Hormone in Österreich. Sie hat das Netzwerk vor fast drei Jahren gegründet und bietet Ausbildungen für Ärzt:innen, Heilpraktiker:innen und Apotheker:innen an. Katharina, ursprünglich aus Deutschland, hat zahlreiche alternative Ausbildungen sowie eine Heilpraktiker-Ausbildung abgeschlossen und ihren Master und Doktor in Public Health mit Schwerpunkt auf humanidente Hormone gemacht. Sie ist Buchautorin mehrere Bücher und leitet aktuell eine große Studie zur Erforschung der Messung Bioidenter Hormontherapie.

Liebe Katharina, was fasziniert Dich so an Hormonen? Was ist daran so spannend?

Hormone steuern alles, ohne Hormone läuft gar nichts. Es würde kein Herz schlagen, es würde kein Stoffwechselprozess laufen, unser Temperaturempfinden im Körper ist von Hormonen abhängig, ebenso wie unsere Stimmung und so weiter. Es sind 100 Hormone bisher entdeckt, geben tut es wahrscheinlich mehr als 1.000. Das ist schon mal sehr spannend und auch die Auswirkungen, die diese kleinen Moleküle auf unsere Gesundheit haben können.

Hormone steuern alles, ohne Hormone läuft gar nichts. Es würde kein Herz schlagen, es würde kein Stoffwechselprozess laufen, unser Temperaturempfinden im Körper ist von Hormonen abhängig, ebenso wie unsere Stimmung etc.

Dr. Katharina Maria Burkhardt - Hormonforscherin und Gründerin des Netzwerks für Bioidente Hormone

Du und Dein Netzwerk, ihr fokussiert Euch auf bioidente Hormone. Was sind denn bioidente Hormone?

Das Allerwichtigste ist, dass auch bioidente Hormone synthetisch hergestellt werden. Wenn man ganz korrekt sein möchte, spricht man auch nicht vom biodenten, sondern vom humanidenten Hormon, weil es der Strukturformel des Hormons entspricht, wie es im menschlichen Körper vorkommt. 

Konjugierte Hormone kommen z.B. in der Antibabypille vor und besetzen Hormon-Rezeptoren. Dadurch, dass konjugierte Hormone täglich zugeführt werden, wird die körpereigene Hormonproduktion unterdrückt.

Wenn ich ein bioidentes, humanidentes Hormon zuführe, ist es eher so, dass der Körper in einer gewissen Art und Weise an das erinnert wird, was er früher selber mal gemacht hat. Die körpereigene Produktion wird nicht gedrosselt. Das ist der große Unterschied.

Du hast gesagt, es gibt über 100 Hormone, die man jetzt schon kennt, aber noch viele weitere, die man noch nicht kennt. Kannst Du uns zum Stand der Forschung etwas sagen?

Bei Estrogenen wissen wir, dass es Dutzende gibt, benennen können wir eigentlich nur E1 bis E4. Man nennt das immer so flapsig “Östrogene” oder “das Östrogen”. Aber wenn wir korrekt sein wollen, müssen wir unterscheiden: E1 ist Estron, E2 ist das Estradiol, E3 ist das Estriol und E4 ist das Estetrol. Ich finde es immer wichtig, dass wir genau sagen, von welchem Hormon wir sprechen. Zwischen E2 und E3 ist ein riesengroßer Unterschied, das dürfen wir nicht in einen Topf schmeißen.

Du startest gerade auch eine eigene Studie. Worum geht es da?

Wir wollen herausfinden, was die geeignetste Testmethode ist, wenn wir Frauen Progesteron transdermal geben, also über die Haut. Die Studie ist doppelt verblindet, Placebo kontrolliert mit einem Crossover in der Mitte. Das heißt, jede Frau, die da mitmacht, kriegt auf jeden Fall einmal den Wirkstoff und einmal das Placebo und dazwischen wird immer getestet. Wir machen Vergleichsmessungen im Blut, im Speichel und per Fragebogen.

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Ihr macht also Bluttests und Speicheltests. Warum es wichtig ist, auf zweierlei Arten zu testen?

Ich glaube, dass jede Art von Test nur eine Annäherung ist und keine hundertprozentige Aussage darüber, was im Körper einer Frau oder eines Mannes passiert. Das Allerwichtigste ist die Klinik, also dass wir uns die Person mit ihren Beschwerden und ihren Bedürfnissen genau anschauen, um die es geht. 

Hormone im Serum, also im Blut, zu testen, finde ich bei Frauen vor der Perimenopause nicht so sinnvoll, außer es gibt größere Erkrankungen wie z.B. Ovarialinsuffizienzen. Es geht hier nicht nur um die Drüsenleistung, sondern auch um die Tatsache, dass Hormone für Wohlbefinden sorgen. Dazu teste ich lieber die freien, aktiven Hormone und die sehe ich besser im Speichel, ca. 98-99%.

Im Serum hingegen habe ich nur 1-3 % freie Hormone, die ich dort bestimmen kann. Das heißt, das Serum gibt mir eher eine Aussage über die Leistung der Drüsen. Das wird spannend in der Peri- und Postmenopause, denn dort sehe ich dann natürlich, welche Hormone nicht mehr produziert werden. 

In der Prämenopause würde ich Speicheltests machen, in der Perimenopause würde ich Speichel- und Serumtests machen und in der Postmenopause reicht meist der Serumtest.

Neben der kurzfristigen Linderung von Wechseljahressymptomen, wo siehst du vor allem langfristig den Vorteil einer humanidenten Hormonersatztherapie?

Das sind für mich drei Hauptbereiche: Prävention von Osteoporose, die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die Prävention von Demenz. Da haben wir schon eine sehr gute Datenlage. 

Ich habe neulich gehört, dass nur 6 % aller Frauen eine humanidente Hormontherapie in Anspruch nehmen. Das finde ich fatal, wenn ich mir denke, wie viele Frauen von der Anamnese her oder von ihren Risikofaktoren in diese Bereiche fallen, die sozusagen leiden oder auf etwas zusteuern, wo man eigentlich gut gegensteuern könnte. Da braucht es einfach immer noch Aufklärung. 

...nur 6 % aller Frauen (nehmen) eine humanidente Hormontherapie in Anspruch. Das finde ich fatal, wenn ich mir denke, wie viele Frauen von der Anamnese her oder von ihren Risikofaktoren in diese Bereiche fallen ... Da braucht es einfach immer noch Aufklärung. 

Dr. Katharina Maria Burkhardt - Hormonforscherin und Gründerin des Netzwerks für Bioidente Hormone

Wie kann man das ändern? Was sind deiner Meinung nach mögliche Ansatzpunkte?

Es gibt dieses Window of Opportunity, das sich zwischen der Menopause und den 10 Jahre danach befindet. Je früher man startet, desto besser. Wenn man heute schon weiß, dass anamnetisch gewisse Risikofaktoren vorhanden sind, sollte man den Frauen schon heute Hormone geben, ohne dass sie die klassischen Wechselbeschwerden haben.

Davon müssen wir sowieso weg. Das erste Hormon, das in der Prä- und frühen Perimenopause weniger wird, ist Progesteron, unser Wohlfühlhormon. Das braucht man den Frauen nicht vorzuenthalten, wenn sie das Gefühl haben, sie sind gereizt, haben Stimmungsschwankungen, keine Freude oder Libido mehr. Da kann man schon ansetzen und braucht nicht zu warten, bis die starken, klassischen Wechselbeschwerden kommen, an die alle denken. 

Dieser Zeitraum umfasst nicht nur drei bis fünf Jahre heftige Beschwerden, sondern er beginnt bei vielen Frauen bereits ab 35-40 Jahren und zieht sich bis zu einem Lebensalter von 60. Manche Frauen berichten mit 70 und 80 immer noch von Beschwerden. Das heißt, wir dürfen das nicht so eng sehen, dass es nur Estrogenmangel bezogene Beschwerden in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren gibt, das ist falsch!

Wie kann man das ändern? Was sind Deiner Meinung nach mögliche Ansatzpunkte?

Das Thema Hormone gehört in die Politik. Und das fängt an bei der Menstruationsblutung. Ich möchte, dass Frauen dasselbe bezahlt bekommen wie Männer und pro Monat zwei bis drei Tage extra frei bekommen. Das ist meine Meinung.

Da geht es nicht um das Emanzentum im klassischen Sinn, sondern um eine sachliche Forderung. Wir sind von Hormonen betroffen und zwar unser ganzes Leben lang. Das geht in der Pubertät los, über das Kinderkriegen bis hin zu den Wechseljahren. Das heißt, es ist ein ständiges Thema und es ist wichtig, dass auch die Politik darüber spricht, dass hier Gelder frei werden. Es gehört für mich ins Curriculum an die Uni und in Ausbildungen.

Wir sprechen hier nicht von Befindlichkeiten, wir sprechen hier von schweren Symptomen. Wenn eine Frau in der Früh aufsteht und sich unter ihrer Matratze entweder ein Blutsee oder ein Schweißsee gebildet hat, dann ist das keine Befindlichkeit. Das ist eine massive Lebenseinschränkung, durch den sie entweder von einem schweren Eisenmangel betroffen ist oder von einem massiven Mineralstoffmangel. Ich möchte, dass darüber gesprochen wird.

Zum Ende haben wir immer unsere “Me-not-Frage”, denn unser Name steht ja für unser Motto: wir wollen uns nicht stoppen lassen. Was ist dein Me-not-Moment?

Ich würde sagen, mein ganzes Leben ist ein “Me-not-Moment”, den ich tagtäglich lebe. Für mich persönlich ist es, wegzukommen von dem Gefühl funktionieren zu müssen. Früher habe ich immer gesagt: “Nichts ist unmöglich”. Jetzt sage ich: "Alles ist möglich”. 

Ich will, dass es uns Frauen gut geht. Ich will, dass wir nicht unnötig leiden müssen. Und diesen Wunsch möchte ich eigentlich auf alles übertragen. Darum mache ich auch unsere Studie. Damit es den Menschen so gut wie möglich geht und damit wir nichts unversucht lassen, das zu erreichen. 

Und wenn ich diese große Vision vor mir sehe, dann kommt damit die Motivation und der Antrieb. Es gibt so viele Kolleg:innen und Menschen, die an dem Thema Interesse haben und das ist es, was mir unheimlich viel Energie bringt. Ich möchte mich auch bedanken für deine bzw. eure Arbeit und finde es ganz, ganz wichtig und ganz toll, was ihr da macht.

Katharina, vielen Dank für das Interview!

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